FERRIS MC (DEICHKIND)
"Auch wenn wir keine Instrumente spielen, haben unsere Shows viel mit dem Punkgefühl gemein."

Das Stahlwerk in Düsseldorf am 3. Dezember 2008. Ferris MC, der seit Anfang des Jahres frisches Mitglied bei Deichkind ist, nimmt sich in seiner Garderobe Zeit um mit uns über das Phänomen Deichkind zu schnacken. In der Garderobe selbst sind die Müllsäcke und Pyramidenhüte schon für den großen Auftritt am gleichen Abend vorbereitet.

Ferris, wie setzt sich das typische Deichkind-Publikum zusammen?

Ich bin sehr froh darüber, dass wir ein gemischtes Publikum haben. Da sind Leute aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten dabei und darunter sowohl welche die Deichkind über die Jahre begleitet haben als auch solche, die erst neu dazu gekommen sind. Es ist eine Gesamtentwicklung aus ca. 10 Jahren Deichkind.

Mich hat es sehr gefreut, dass ihr auf der Tour auch dein Stück "Reimemonster" auch spielt.

Danke, das war eine Idee vom Philipp gewesen. Er mochte den Song immer sehr. Er ist auch fast genauso alt wie "Bon Voyage" und hat sich somit angeboten.

Eine Frage, die sich bei eurem engen Tourplan aufdrängt: wie steht ihr diesen Nonstop-Party-Marathon durch?

Wie man an meiner Stimme erkennen kann leiden wir jetzt schon. Wir sind erst am Anfang der Tour und noch geht es aber. Frage mich das aber mal im letzten Drittel der Tour...

Was ist das Geheimnis des momentanen Erfolges von Deichkind?

Es ist auf jeden Fall ein hart erarbeiteter Erfolg. Als die Jungs damit begonnen haben sich in Mülltüten zu kleiden und Remmidemmi auf der Bühne zu machen wurden sie zunächst eher komisch angeguckt. Das Album "Aufstand im Schlaraffenland" war in meinen Augen auch seiner Zeit voraus. Auch durch das stärkere Aufkommen von Electro-Einflüssen in die Popmusik hat sich dann alles stetig gesteigert. Die vielen Festival-Auftritte haben ihr übriges dazu getan. Bei der letzten Festivaltour, wo ich dann auch dabei war, konnten wir dem Publikum auch noch mehr Bühnenaufbauten bieten. Wir haben in der letzten Zeit viel in neue Aufbauten investiert um unseren Publikum noch mehr bieten zu können. Das alles spricht sich auch durch das Internet schnell rum und wir freuen uns sehr darüber welch guten Ruf als Live-Act wir mittlerweile haben.

Wie kam es zu deinem Engagement bei Deichkind?

Das kam von heute auf morgen. Der frühere Sänger Buddy ist ausgestiegen und die Band brauchte eine erfahrene Rampensau, die sie dann in mir gefunden haben.

Planst du neben Deichkind eine neue Solokarriere?

Nein, jedenfalls nicht als Ferris MC. Ich lege seit einiger Zeit aber schon erfolgreich als DJ im Electro-Bereich auf und veröffentliche da auf Vinyl und als Download meine Sachen. Aber selbst als DJ komme ich an "Yippie Yippie Yeah" nicht vorbei denn damit kriegt man sein Publikum immer.

Wie sieht es eigentlich auf euren Konzerten mit "Roten-Kreuz-Einsätzen" aus?

Ja, das kommt schon vor. Allerdings nicht häufiger als bei vergleichbaren Acts. Wir hatten in Kiel z.B. viele Ohnmachtsanfälle da der Club sehr klein war. Das haben die Leute aber teilweise nicht mal gemerkt.

Mit "Arbeit nervt" habt ihr den passenden Soundtrack zur momentanen Stimmung in der Welt geliefert...

... ja, wir haben dabei aber auch den Nerv von Leuten getroffen, auf die wir auch gut verzichten könnten - nach dem Motto "Die Geister, die ich rief". Das muss man aber in Kauf nehmen. Ich persönlich finde es lustig wenn ich, egal wo wir derzeit spielen, überall höre "Kein Gott, kein Staat, lieber was zu Saufen" (lacht). Wir zelebrieren das natürlich auch ausführlich in unserer Show.

Habt ihr eine Kernbotschaft?

Vielleicht die, sich von allem was man gewohnt ist frei zu machen und ständig neue Sachen auszuprobieren. Wir wollen unberechenbar bleiben und lieben es Klischees zu brechen und auch wenn wir keine Instrumente spielen, haben unsere Shows viel mit dem Punkgefühl gemein.

Das heißt also, dass die Müllsäcke-tragenden Deichkind nur eine Momentaufnahme sind?

Wir haben jedenfalls nicht die Motivation 40 Jahre von "Krawall und Remmidemmi" zu leben. Wir werden uns sicher weiter entwickeln.

Mit dem momentanen Publikumszuspruch habt ihr doch jetzt auch ganz andere finanzielle Möglichkeiten eure Bühnenshow auszubauen, oder?

Genau. Im Verlaufe der Tour werden wir auch noch neue Elemente in unsere Bühnenshow aufnehmen, die viel Geld gekostet haben, aber das Ganze noch mal auf eine andere Ebene heben werden. Mittlerweile müssen aber die Hallen immer größer werden um überhaupt alles aufbauen zu können. Unsere Roadies sind gut beschäftigt.

Welche Gemeinsamkeiten siehst du zwischen euch und die ärzte?

Ich denke, dass wir beide unsere kindische Seite gerne rauslassen - ohne dies negativ sehen zu wollen. Das betrifft Dinge wie den Humor, den Freigeist und das Gefühl sich von üblichen Zwängen zu befreien.

Was mir auffällt ist, dass fast alle in den 90ern erfolgreichen HipHop-Acts heute auf komplett anderen Pfaden wandeln - man denke nur an Jan Delay, Das Bo oder auch Deichkind. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Das liegt wohl daran, dass deutscher HipHop zum Teenie-Programm verkommen ist. Das war auch der Grund für meinen Rückzug denn ich war von dem Umstand genervt, dass ich selber älter geworden bin, die Fans aber nicht mit mir gewachsen sind. Vielen konnten sich halt wie ich nicht mehr damit identifizieren einer bestimmten Zielgruppe zu dienen.

© Stefan & Anja Üblacker